„Bronze für Kalle“ – Außergewöhnliche Tradition einer Vegesacker Boßeltour
Von Jan-Dirk Bruns

74. Boßeltour der Hermann-Schröder-Riege des Vegesacker Turnvereins

Es ist kalt und ungemütlich an diesem Sonntag im Januar. Ein Schneeregenschauer weht über die Rampe v am Anleger in Vegesack. Wer hier und jetzt um acht Uhr morgens auf die Fähre geht, muss etwas Besonderes vorhaben. So wie die 53 Männer vom Vegesacker Turnverein, die heute von Bookholzberg nach Stenum boßeln wollen. Acht Mannschaften, die Tour hat Tradition. Seit 22 Jahren. Karl-Heinz Warncke ist ein bisschen aufgeregt. Er ist zum ersten Mal dabei. „Ich hätte gern schon früher angefangen, aber die Handballer haben anfangs nicht jeden mitmachen lassen“, sagt Warncke heute. Bei seiner ersten Boßeltour ist „Kalle“, wie ihn seine Freunde nennen, 27 Jahre alt, ein echter Vegesacker Jung. Wir schreiben das Jahr 1969.
Seitdem hat Karl-Heinz Warncke keine einzige Boßeltour verpasst. Und so steht er auch im Januar 2020 am Vegesacker Fähranleger und freut sich auf die diesjährige Boßeltour. Es ist seine 52. (!) mit der Hermann-Schröder-Riege vom VTV. Mit 78 Jahren zählt Warncke noch immer zu den Leistungsträgern, wenn die Kugeln mal mit Wucht, mal mit Rafinesse über die Straße geworfen werden.
„Ich weiß nicht mehr, welchen Platz ich mit meiner Mannschaft beim ersten Mal belegt habe, aber zu Hause habe ich jede Menge Medaillen.“ Damals wie heute sind diese Auszeichnungen unter den Aktiven sehr begehrt. Anfangs sind die Medaillen aus Holz und werden für die drei erstplatzierten Mannschaften angemalt; in Gold, Silber und Bronze. Die Sieger tragen sie mit Stolz, müssen sie am Abend aber wieder abgeben. Für die Gewinner im nächsten Jahr. Das Boßeln in dieser Gemeinschaft ist ein sportlicher Wettkampf ohne Altersbeschränkung. Die jungen Leute haben Ambitionen, die Älteren haben Erfahrung. „Die Tradition, das ist das Besondere an dieser Tour. Das ist schon immer so gewesen“, sagt Karl-Heinz Warncke heute, über ein halbes Jahrhundert nach seinem „Ersten Mal“. Als Fleischermeister hat sich Warncke in Bremen-Nord in fast sechs Jahrzehnten einen Namen gemacht. Dabei hat er eigentlich Elektriker gelernt. Doch im Schnellverfahren hat er damals noch eine Fleischerausbildung drangehängt, Meisterbrief inclusive.
1947 entsteht die Boßeltour beim Vegesacker Turnverein – so kurz nach dem Krieg ist sie etwas Besonderes. Das ist sie heute, in der 74. Auflage auch noch. Wer einmal dabei gewesen ist, wird das nicht vergessen. Als Karl-Heinz Warncke zum ersten Mal mit den Vegesacker Sportkameraden boßelt, ist Kurt Georg Kiesinger Kanzler der ersten Großen Koalition im Deutschen Bundestag in Bonn. Der junge Hans Koschnick führt in Bremen als Bürgermeister ein sozial-liberales Bündnis. Kalle Warncke hat noch Wilhelm Kaisen persönlich kennengelernt. Bremens erster Bürgermeister war Landwirt in Borgfeld. „Bei dem musste man Platt schnacken und Grog trinken können, das konnte ich“, sagt Warncke und erzählt, wie er damals von ihm zwei Kühe bekam im Tausch für zwei Kälber.
„Das waren andere Zeiten damals“ weiß Warncke und kann mit dem Wandel gut leben. Heute hat sein Sohn, Karl-Heinz Warncke junior, die Fleischerei längst übernommen, auch wenn sich der Senior noch immer nicht ganz rausziehen kann. Sogar der Enkel, Alex arbeitet schon im Betrieb. Drei Generationen. Wie beim Boßeln. Erstmals ist Karl-Heinz Warncke mit seinen beiden Söhnen und seinem Enkel bei der Boßeltour des Vegesacker Turnvereins dabei.. Die Mannschaft von Warncke senior landet auf dem dritten Platz. Bronze für Kalle! Es soll nicht seine letzte Medaille bleiben. Im nächsten Jahr feiert die Boßeltour Jubiläum. Auch die 75. Auflage wird an einem Sonntag im Januar beginnen. Morgens um acht am Vegesacker Fähranleger. Karl-Heinz Warncke will wieder dabei sein. Dann bereits zum 53. Mal.

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